Arbeitsblatt 1a: Monolog in Dialog umschreiben

Johann Wolfgang Goethe: „Iphigenie auf Tauris“



Iphigenie, eine der letzten Nachkommen Tantalus’, dessen Geschlecht von Zeus mit einem schrecklichen Fluch belegt wurde, ist von der Göttin Diana vor dem Opfertod gerettet und nach Tauris gebracht worden, wo sie als Priesterin das barbarische Volk der Skythen befriedet hat. Sie glaubt an die Güte der Götter und daran, dass der Fluch von ihrem Geschlecht gelöst werden kann allein durch reine Menschlichkeit. Sie darf also weder Bluttaten begehen, noch durch Unwahrheit ihr Seele beflecken.
Thoas, Herrscher von Tauris, dem Iphigenie ihr Leben verdankt, möchte sie heiraten, um seine Herrschaft zu sichern. Da die Entsühnung des Fluchs nur möglich ist, wenn Iphigenie nach Griechenland zurückkehrt, muss sie dem Antrag Thoas’ widerstehen.
Orest, Iphigenies Bruder, und Pylades, dessen Freund, werden von Apollo beauftragt, die Schwester nach Griechenland zurück zu holen, um so den Fluch zu entsühnen. Da Orest Iphigenie für tot hält, denken beide, dass mit der „Schwester“ die Göttin Diana (Apollos Schwester) gemeint sei, und kommen nach Tauris, um das Götterbild Dianas aus dem Tempel zu stehlen. Thoas befielt, die beiden Fremden zu opfern. Nachdem Iphigenie und Orest sich als Bruder und Schwester erkannt haben, überredet Pylades Iphigenie, sie beim Raub des Götterbildes zu unterstützen, Thoas zu hintergehen und mit ihnen gemeinsam nach Griechenland zu fliehen. Hieraus ergibt sich Iphigenies fundamentaler innerer Konflikt, der im 4. Aufzug dargestellt ist. Der 4. Aufzug ist symmetrisch aufgebaut – er beginnt mit einem einleitenden Monolog Iphigenies, in dem Pylades’ Plan geschildert wird und sich bereits andeutet, dass Iphigenie, obwohl sie zunächst bereit ist, dem Plan zu folgen, die Lüge, mit der sie Thoas begegnen soll, verabscheut. In IV,2 folgt ein Dialog zwischen Iphigenie und Arkas (Bote Thoas’): Iphigenie folgt zunächst Pylades’ Plan und belügt Arkas (die Opferung Orests und Pylades’ wird so hinausgeschoben), Arkas weist Iphigenie darauf hin, dass es allein in ihrer Macht steht, Thoas zu besänftigen und die Opferung zu verhindern (nicht in der Macht der Götter! „Sie [Die Götter] pflegen Menschen menschlich zu erretten“), und darauf, dass sie Tauris zu einem Hort von Menschlichkeit gemacht hat. IV,3 ist wiederum ein Monolog Iphigenies, in dem sie sich darüber klar wird, dass sie auch Verpflichtungen den Menschen auf Tauris gegenüber hat, ihre Zweifel an Pylades’ Plan werden immer größer. IV,4 ist ein Dialog zwischen Iphigenie und Pylades: Pylades erinnert Iphigenie, dass sie mit der List nur dem Wunsch des Gottes Apollo folgen und dass diese List Iphigenies einzige Möglichkeit ist, die Opferung zu verhindern (also keine Bluttat zu begehen), nach Griechenland zurückzukehren und so den Fluch zu entsühnen. IV,5 ist wiederum ein Monolog Iphigenies, der den 4. Aufzug abschließt:


IV, 5
Ich muß ihm folgen: denn die Meinigen
Seh ich in dringender Gefahr. Doch ach!
Mein eigen Schicksal macht mir bang und bänger.
O soll ich nicht die stille Hoffnung retten,
Die in der Einsamkeit ich still genährt?
Soll dieser Fluch denn ewig walten? [...]
So hofft’ ich denn vergebens, hier verwahrt,
Von meines Hauses Schicksal abgeschieden,
Dereinst mit reiner Hand und reinem Herzen
Die schwer befleckte Wohnung zu entsühnen!
Kaum wird in meinen Armen mir ein Bruder
Vom grimm’gen Übel wundervoll und schnell
Geheilt, kaum naht ein Schiff,
Mich in den Port der Vaterwelt zu leiten,
So legt die taube Not ein doppelt Laster
Mit ehrner Hand mir auf: das heilige
Mir anvertraute, viel verehrte Bild
Zu rauben und den Mann zu hintergehn,
Dem ich mein Leben und mein Schicksal danke.
O daß in meinem Busen nicht zuletzt
Ein Widerwille keime! Der Titanen,
Der alten Götter, tiefer Haß auf euch,
Olympier, nicht auch die zarte Brust
Mit Geierklauen fasse! Rettet mich,
Und rettet euer Bild in meiner Seele!
[...]




Aufgabe:
1. Lest die Inhaltsangabe und den Monolog IV,5 genau. Schreibt dann einen kurzen Dialog der beiden „Seelen“, die in Iphigenie gegeneinander kämpfen. Der innere Konflikt, in dem sie sich befindet, soll in dem Dialog zum Ausdruck kommen (die Dialogpartner können z.B. GUT und BÖSE heißen). Bezieht auch die in der Inhaltsangabe dargestellte Entwicklung innerhalb des 4. Aufzugs mit ein. Tipp: Beachtet, dass Iphigenies wichtigstes Ziel ist, den Fluch zu entsühnen! Wie kann sie dieses Ziel nur erreichen? Werdet euch als erstes darüber klar, was Iphigenies Entscheidungsmöglichkeiten sind! Welche Rolle spielen die Götter? Welche Rolle spielt die Menschlichkeit?

2. Welche Schwierigkeiten gab es bei der Bearbeitung der Aufgabe 1? Glaubt ihr, dass diese Aufgabe für Schüler der Oberstufe geeignet ist? (Begründung!)

3. Findet ihr die Aufgabenstellung sinnvoll? (Wenn nicht, was müsste verändert werden? Warum?) Welche Lernziele können eurer Meinung nach damit erreicht werden?


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