Neidhart







Minneparodie (Schweikle)

- Parodie gegen die Rituale des Hohen Sanges
- veränderte Ausstaffierung des herkömmlichen Minnetheaters ( das immer realitätsferner geworden war)
- bei Neidhart: schein - realistische Kulissen
- Personen erhalten Namen und genaue Beschreibungen ( im Minnesang oft nur Personalpronomen) * ländliches Mädchen - verrichtet bäuerliche Arbeiten, hat zerschundene Hände und Füße * armer Ritter aus dem Riuwental der SL und Sänger und Tänzer der WL * Konkurrenten des Sängers (Dörper)
- Dörper siegen gegen den Sänger, der die höfischen Normen beachtet
- Umkehrung und Berechnung eines traditionellen Gattungsschemas z.B. Pastourelle ( Umkehrung des Werbungsmusters)
- gesellschaftlicher Gegensang - Persiflage gegen höfische Gesellschaft seiner Zeit
- eingelegte Minnestrophen = Kontrastbilder aus idealisiert gesehenen früheren Zeiten, welche neben eine durch die Dörper repräsentierte zerrüttete Gegenwart gestellt werden
- Höfische Dichtung - Neidharts Publikum fand sich an den Höfen und in den Städten
- satirische Dichtung - Verspottung gegenwärtiger Erscheinungen höfischen und allgemein menschlichen Fehlverhaltens
- Darstellungsmittel: Verfremdung, Umkehrung, Überzeichnung, Wort-und Situationskomik, Ironie, Parodie und Persiflage
- unterhaltende Dichtung


Minneparodie ( Giloy-Hirtz)

- huote-Motiv = kollektive Kontrollinstanz zur Regulierung der Intensität der Minnebeziehung zwischen Sänger und Dame > Parodie: * Verletzung gebotener Anonymität, * Träger der huote sind Dörper
- Reihung lautmalerisch, plump-vulgärer, aus der höfischen Literatur verbannter Namen, die die Primitivität ihrer Träger assoziieren, Zweck: Erheiterung der Zuhörer
- Übertragung von bekannten höfischen Minnesituationen ins dörperliche Milieu
- Bedeutungswandel zentraler Begriffe des Minnesangs, z.B. höfisch als Attribut für ein Bauernmädchen
- Schwankähnliche Einschübe (Mutter- , Tochter-, Alte-, Dörperepisoden)
- Erotik bis zur Obszönität
- Wortspiele
- Vergleiche


Minneparodie (Müller)

- voll von Agressionen und ätzender Kritik
- Terminologie und Motivik der hohen Minne wird auf andere, nicht passende Bereiche übertragen
- mit dem Nicht-Zugehörigen verbunden und kontrastiert, übertrieben, verdreht und scheinbar mißverstanden - beabsichtigt, das Angegriffene lächerlich zu machen, zu relativieren oder gar zu zerstören
- Winterklage - aus hohem Minnesang bekannt
- Trost für den Sänger nicht von höfischer Dame, sondern von Dörpermädchen (Name wird offen genannt, im Kontrast zu den höfischen Konventionen)
- Mädchen wird gepriesen wie eine höfische Dame
- Kontrastierung von höfischer Terminologie und bäuerlicher Derbheit


Möglichkeiten der Funktion:

1. Zeichen des schlechten Geschmacks, der Verrohung der Sitten und des Benehmens
2. Klarmachen der Bedrohung des Adels durch die aufstrebenden Bauern
3. Kritik am Publikum (ihm den Spiegel vorhalten) 4.
System der hohen Minne hat hier keine Gültigkeit mehr, wird benutzt, um es im Kontrast mit dem Gegenteil zu entwerten, zu zeigen, daß es sich mit der Liebe ganz anders verhält


Dörperproblematik (Schweikle)

Dörperlieder:

- winterlicher Natureingang (Klage über verschwundenen Sommer, Beschwörung des Winters)
- zum Teil auch ohne Natureingang, nur mit jahreszeitlichen Hinweisen (z.B. Tanz in der Stube)
- fast durchweg Stollenstrophe
- meist Sänger-Berichtslieder, z.T. auch Erzähllieder, aber häufig mit Einfügung von sängermonologen oder Gesprächspartien
Thema:
- Tanzaufforderungen und Liebessehnsucht des Sängers
- Berichte über die Dörper und ihr Treiben (entweder neutral berichtend oder Sänger ins Geschehen einbezogen; Rolle des Sängers nicht genau definiert - armer Tänzer im Riuwental)

Dörper:
- dünkelhaftes Auftreten
- Prunk mit Waffen und Kleidern (bes. Schilderung der hube)
- Streitigkeiten untereinander und mit dem meist unterlegenen Sänger
- rohes, plumpes Benehmen beim Tanz
- Erwähnung sexueller Annäherungen szenisches Spielfeld ausdrücklich benannt (bis WL 24 Riuwental, danach Tullner Feld)

Unterscheidung in:
Dörperkonforme Lieder: WL 1 - 10
- Sänger nicht im Gegensatz zu den Dörpern
- Sänger versucht, sich ins Dörpertreiben einzugliedern (ruft zu Tanz und anderen Winterfreuden auf, trifft Tanzanordnungen, beobachtet die Gruppierungen, nimmt selbst teil, trägt mit seinem Gesang zur Lebensfreude bei, beschreibt seine Liebesabsichten+ Eifersucht
Dörperkontroverse Lieder:
- Sänger von Dörpertreiben ausgeschlossen
- hierzu gehören die Friderun-Lieder
- satierisch überzeichnende Beschreibung der die höfische maze mißachtenden Dörper
- Dörper versuchen, Sänger vom Tanzplatz und den Mädchen zu vertreiben
- ab WL 15 Beklagung der Belästigung der Mädchen durch die Dörper
- Gleichgültigkeit der Mädchen ihm gegenüber (oft mit Spiegelraub gekoppelt)
- Gegenpol: eingelagerte Minnepreis und -klagestrophen, die den Sänger als höfischen Werber ausweisen

Die Dörper:
- Exempelfigur für das Überschreiten höfischer Normen
- literarischer gegentypus zum idealhöfischen Ritter
- Zerfall höfischer Sitten wird angeprangert
- Dörper im Umkreis des Höfischen angesiedelt
- Neidhart greift aber auch allgemeine ordo-verletzungen an - Herausdrängen aus den Standesgrenzen
- Begriff "dörper": überständisch, sozial indifferent, ambiguos; umfaßt sowohl Angehörigen des höfischen Bereichs, der höfische Normen verletzt, als auch, allerdings selten, den Bauern, der seine Standesgrenzen mißachtet
- Dörpern sind ritterliche Attribute und Beschäftigungen zugeordnet aber gelegentlich auch bäuerliche (Dreschflegel WL 3, Pflug oder Gabeln WL 32 ...)
- "Dörper" - von Neidhart geschaffene und eigens benannte Kunstfigur
fiktive Lebenswelt:
- Riuwental und Tullner Feld
- ländliche Szene
- Tanzplatz als Zentrum (im Freien oder in der Stube) - gibt dem Autor die Möglichkeit, die von ihm angeprangerten Verhaltensweisen (Prunksucht, Angeberei, Tölpelhaftigkeit bei Tanz+Werbung, Streitsucht) vorzuführen


Dörperproblematik (Giloy-Hirtz):

- Dörper werden zum Sinnbild der Destruktion nicht nur einer möglichen Glückserfüllung im Rahmen der Minnebeziehung, sondern zur Quelle permanenter, alle Lebensbereiche einschließender, Bedrohung
- nicht gleichsetzbar mit agressiven, den Adel gefährdenden Aktivitäten der österreichischen Bauern
- zeigen ein, mit der höfischen Norm nicht in Einklang stehendes, Verhalten
- leitmotivartige Charakterisierung der Dörper durch höfisch-ritterliche Prachtentfaltung in Kleidung und Bewaffnung (trägt bedrohlichen Charakter - Akt der Provokation)
- selbstbewußt - vorlautes Auftreten
- das auf vornehm getrimmte Äußere befriedigt die dörperliche Eitelkeit
- Imitation höfischer Verhaltensweisen
- allgemeine Erschütterung der Weltordnung soll signalisiert werden
- Kleidung als Symbol geordneter bzw. Ungeordneter Welt (z.B. Hildemars Haube WL 29)
- keineswegs an den tatsächlichen Bauernstand gebunden
- Symbol der Gefahr, weil: Infragestellung angestammter Herrschaftsrechte


Spiegelraub (Schweikle)

- Ausgangspunkt SL 22
Friderun - Lieder:
- Beginn WL 14
- Spiegelraub an Friderun ( dörperlicher Übergriff)
- Spiegelraub als Sinnzentrum oder Anspielung auf: * üble gesellschaftliche Folgen für das Mädchen, * Freudenverlust der Gesellschaft und des Sängers selbst, * Verwünschungen und Strafen des Täters
- Motiv bleibt in seiner Funktion rätselhaft
- in der Forschung auf vielfältige Weise gedeutet:
1. beliebiges Attribut höfischer Kleidung
2. Symbol für die Frau selbst / mit Betonung auf den Raub
3. Sexualsymbol / Betonung des zerbrochenen Spiegels
4. Symbol für sozialpolitische Umwälzungen
5. Schuldkomplex des Sängers
- immer im Zusammenhang mit den Niederlagen des Sängers erwähnt
- Raub und Zerbrechen des Spiegels wohl am ehesten Symbol für das Vordringen außerhöfischer Kräfte - Erfolglosigkeit des höfisch geprägten Minnedienstes und -sangs, Zerstörung der höfischen Sitten, Verfall althergebrachtergesellschaftlicher Werte, Auflösung gefügter Ordnungen
- Strophen im Stil des Hohen Sanges

Spiegelraub (Kaiser in Brunner):

- spielt ständige Nebenrolle im Kontext Neidharts erotischer Niederlagen und allgemeiner Verfallsklagen
- Motiv wird nie aufgelöst, Bedeutung nie preisgegeben
Deutungen:
1. Naumann: es kommt nicht auf den Spiegel an, sondern auf den raub
2. de Boor: Symbol für Einbruch der bedrohlichen außerritterlichen Welt in Kreis und recht des Rittertums; Spiegel =Zeichen der höfischen Frau, ritterliche Gabe; Symbol der Auflösung gefügter Ordnung; Zeichen des verfalls
- Motiv taucht nur in 2 SL aber in 14 WL auf
- SL 22 Motiv wird eingeführt; SL 27 Eher Zeitklage als Sommerlied
- Winterlieder: Spiegelraub - Allusion nur in Minnedienst - Liedern L 33-56 ( mit klassischen Minnesangstrophen)
- Wenn Spiegelraub selbst Sinnzentrum, steht es im Zusammenhang mit Reflexionen des Dichters über Sinn, Wert und Wirkung seines Minnesangs ( S 22-26, 19ff.;S 27-32,1ff.;W23-70,37ff.;w27-78,7ff.;W32-93,5ff.;W34-96,3ff.)
- Unfähigkeit zu singen ist an das Motiv des Spiegelraubs gebunden
- Raub des Spiegels immer wieder im Kontext der Niederlage des Minnenden
- mit Spiegelraub beginnen diese Niederlagen
- Spiegel als Symbol des Minnedienstes und Minnesangs
- Raub des Spiegels = Zeichen des Niedergangs der Minnepraxis
- mit Verlust des Spiegels endet die zeit der Minne


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